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Heute mal eine Anleitung für alle Menschen, die chronisch Kranken beistehen. Nimm es dir zu Herzen! Überdenke, was du bisher zu einer chronisch erkrankten Person sagtest! Ich selbst habe mir so manche Sätze an den Kopf werfen lassen. Und rückblickend muss ich auch eingestehen, dass auch ich wohlgemeinte dumme Ratschläge an chronisch Kranke gegeben habe. Übrigens, auch Ärzte können das: Ein Arzt sagte zu mir: „Was wollen Sie hier? Sie sehen topfit aus?“ Ich wusste in dem Moment nicht, ob ich geschmeichelt sein soll oder entsetzt, weil er wohl mich und meine schwere Erkrankung nicht für voll nimmt. Ich sehe anscheinend noch nicht krank genug aus, dass er die Notwendigkeit sieht, mir zu helfen? In meinem Artikel Dieser Topf wird niemals leer schreibe ich über dieses Erlebnis.

Du willst dein Mitgefühl für eine chronische erkrankte Person ausdrücken, dann bitte nicht mit diesen Sätzen:

1. Du siehst aber gar nicht krank aus!

Es gibt Krankheiten, die sind äußerlich nicht sichtbar. Nur, weil die Person augenscheinlich nicht krank aussieht, heißt es nicht, dass es ihr im Innern nicht schlecht geht. Eine chronisch kranke Person lebt täglich mit ihrer Krankheit. Sie hat ihre Unpässlichkeiten und ihre Hochs und Tiefs, die du nicht von außen sehen kannst. Gerade die Starken unter uns blicken hoffnungsvoll in die Zukunft und wirken nach außen vielleicht gerade deshalb wie ein gesunder Mensch. Ermutige sie, dass sie so stark bleiben können.

Sag lieber: Mensch, du siehst heute aber gut aus. Du strahlst. Das freut mich.

2. Ich weiß, wie du dich fühlst!

Das kannst du nicht wissen, wie die Person sich fühlt. Steckst du in Ihrem Körper? Nein, du hast diese Krankheit nicht. Weißt du wie es ist, tagtäglich damit konfrontiert zu sein? Ängste zu haben, wie es in der Zukunft aussieht. Du weißt nicht, was die Person durchmacht und was sie gerade erleidet.

Sag lieber: Ich fühle mit dir. Ich versuche mir gerade vorzustellen, was du durch machst.

3. Du bist doch viel zu jung, um krank zu sein.

Leider musste ich mir das auch schon anhören. Ich hab mich in dieser Situation so beschissen gefühlt. Denn wer wird 1. gern als krank bezeichnet und 2. dürfen nur ältere Menschen krank sein? Zudem habe ich mir ja meine Erkrankung nicht ausgesucht. Ich würde auch gern unbeschwerter leben, ohne die Ungewissheit, wie es mir mit meinen Nieren in 10 Jahren geht. Wer will denn schon krank sein? Ich fand die Aussage damals so beschämend: Ich schämte mich dafür, dass ich als junger Mensch schon krank bin. Hinter solch einer Aussage verbirgt sich ein Vorwurf und zugleich ein totales Unverständnis für die chronisch kranke Person.

Sag lieber: In so jungen Jahren krank zu sein, das ist sicherlich nicht einfach.

4. „Du musst einfach mehr machen. Treib doch etwas Sport“

Das war früher so ein blöder gutgemeinter Satz von mir gewesen. Ich weiß, dass jegliche Form von Bewegung immer hilft. Egal welche. Sei es den Müll rausbringen. Hauptsache mal in die Senkrechte kommen und etwas gehen. Aber vielleicht kann die Person sich einfach nicht aufraffen. Vielleicht hat sie gar kein Ahnung , wo sie anfangen soll. Oder sie hat die Erfahrung noch nicht gemacht, dass Bewegung hilft.

Sag lieber: Ich lad dich ein auf einen Spaziergang ums Eck. Hast du Lust? Lass uns gemeinsam was unternehmen.

5. Hast du schon mal (bla bla bla) ausprobiert?

Und ja, das habe ich auch schon gesagt. Diese wohlgemeinten Ratschläge und Super Tipps. Lass es einfach. Außer die chronisch kranke Person bittet dich um Rat.

Sag lieber: Gibt es Alternativen? Wobei kann ich dich unterstützen?

6. Sag nicht: Wenn du Hilfe brauchst, melde dich.

Biete deine konkrete Hilfe an und nicht pauschal. Schau dir an, wobei die Person Hilfe braucht: Im Alltag? Sei es einkaufen gehen, Müll rausbringen, Blumen gießen, Telefonate erledigen, Gassi gehen, die Kinder mal einen Nachmittag nehmen oder anstrengende Haushaltstätigkeiten, wie Vorhänge waschen oder Betten beziehen. Wenn du wirklich helfen willst, biete dich konkret für eine Tätigkeit an.

Sag: „Ich gehe gerne mit dem Hund für dich raus. Ich helfe dir beim Betten beziehen. Was strengt dich gerade am meisten an? Gerne mache ich das für dich. Lass, mich dich unterstützen.“

Und damit solltest du nie aufhören. „Wie geht es Dir?“ zu fragen.

Diese Frage wird auch nach langen Jahren für chronisch Kranke nicht bedeutungslos. Wie geht’s dir?, fragt ja nicht nur nach der Krankheit, sondern auch nach dem psychischen Befinden der Person. Ja, es ist eine Universalfrage. Dennoch ist es ein netter Einstieg, um mehr über das aktuelle Leben der Person zu erfahren. Und bitte, erzähle auch du etwas aus deinem Alltag. Über dein Leben. Nur weil du nicht krank bist, heißt es nicht , dass dein Alltag belanglos oder weniger Wert ist. Im Gegenteil, chronisch Kranke möchten auch mal über etwas anderes sprechen als nur über die Krankheit. Wir Menschen brauchen die Kommunikation und den Austausch mit unseren Mitmenschen. Lass es nicht zur Einbahnstraße werden. Die chronisch kranke Person wird es dir danken.

Sag: Wie war dein Tag? Wie fühlst du dich? Was passiert denn gerade in deinem Leben?

Bitte denke jetzt nicht. Was darf ich denn überhaupt noch sagen? Ich will dich nicht verunsichern, sondern ermutigen und dich sensibilisieren im Umgang mit einer chronisch kranken Person. Bleib einfach du selbst. Sei authentisch. Verstelle dich nicht durch übermäßige Rücksichtnahme. Meine viel zu früh verstorbene Freundin hat sich immer bei mir bedankt, dass ich einfach weiterhin Carmen geblieben bin. Intuitiv habe ich mich genau so lieb und bescheuert verhalten, wie sie mich kannte. Ich bin einfach ich geblieben. Dennoch mit Emphathie und Anteilnahme.

Und manchmal ist es besser, einfach die Klappe zu halten. Und der Person mit einer echten bedingungslosen Präsenz zur Seite zu stehen.

Fallen dir auch deine gutgemeinten Sätze ein, die du schon mal zu einem chronisch Kranken gesagt hast? Da lernen wir alle noch was von. Fallen dir spontan Sätze ein, mit denen chronisch Kranke unterstützt werden können? Schreibe Sie gerne ins Kommentar Feld.

Dieser Text ist im Rahmen von Annas Blognacht entstanden. Aus Annas Impuls: „Dieser Satz hat eine besondere Bedeutung für mich!“ erinnerte ich mich, was der Arzt damals zu mir sagte. Und wie mies ich mich fühlte. Ich bin mir sicher, dass vielen chronisch Kranken schon Ähnliches an den Kopf geworfen wurde. Mein Appell an dich als chronisch Kranke: Lass du dich von solchen Aussagen nicht unterkriegen. Es geht um deinen Körper, dein Empfinden und deine Gefühle.

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8 comments

  1. Liebe Carmen,
    herzlichen Dank für diesen Artikel. Du schreibst nicht nur, was man nicht sagen soll, sondern du gibst uns Alternativen. Du schreibst, was wir sagen können mit einer hilfreichen Wirkung. Das hat mich besonders bereichert. danke dafür!
    Mit herzlichen Grüßen, Amrita

  2. Hallo Carmen, danke für diesen Text! Je mehr von „uns“ diese Dinge offen aussprechen, je besser! Mir sieht man meine Augenerkrankung auch nicht an oder nur, wenn man sich sehr gut auskennt. Ich habe also auch „nichts“. Ich spreche bei Menschen, die mir nahe stehen, mittlerweile an, wenn ich über Sätze stolpere, erkläre, warum und benenne, was mir gut tun würde. Ich erkenne auch an, dass ich weiß, dass sie etwas Gutes wollen und frage sie, ob ich erklären soll. . Bei anderen kann ich auch mal schnippisch werden: „Hast du schon mal an Hörbücher gedacht“? „Ach nein, danke, dieser Gedanke ist mir echt noch nie gekommen.“ Choose your battles. ;). Herzlich, Anne (aka SEHHELDIN)

    Wenn mich etwas nervt oder verletzt, frage ich mich selbst auch: Warum ist das so? Woher kommt der Schmerz? Denn oft sind die Sätze ja hauptsächlich der Trigger. Blöd bleiben sie trotzdem, aber dann bekomme ich eine Idee, was ich für mich innerlich tun kann.

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